Online bezeichnet den Zustand, in dem eine direkte Duplex-Verbindung zu einem Host-Rechner besteht, die zur Datenübertragung benutzt wird und auf der Daten interaktiv ausgetauscht werden können.
Die Funktionalität von allgemeinen Online-Diensten (Mehrwertdienste n) geht über die reine Datenübertragung hinaus. Die einzige Gemeinsamkeit von Mehrwertdiensten ist, daß Angebot und Nutzung über Telekommunikationsnetze erfolgen. Mehrwertdienste sind höhere, anwendungsorientierte Übertragungsprotokolle, die gegenüber simplen Telekommunikationsdiensten (Fest-, Telefon und ISDN-Verbindung) zusätzliche Leistungen bereitstellen.(12)
Online-Dienste im Sinne elektronischer Informationsdienste stellen eine Untergruppe der Mehrwertdienste dar. Sie umfassen Mailbox en, Datenbanken, Transaktionsdienste und interaktive Videotexdienste. Alle diese Dienste sind für den Dialogbetrieb ausgelegt. In den USA wird der Begriff "Online-Service " oft auf textorientierte interaktive Mehrwertdienste (bildschirmtextähnliche Systeme) eingeschränkt. In Folge der Internationalisierung der Online-Dienste ist diese eingeschränkte Begriffsauslegung auch in Deutschland gebräuchlich geworden und wird somit auch in dieser Arbeit verwendet.(13)
Gegenwärtig werden viele dieser Dienste zu multimedialen Online-Diensten ausgebaut. Dies sind computergestützte Dienste, die den Zugriff auf Computerdatenbanken in aller Welt und die elektronische Kommunikation mit anderen Teilnehmern ermöglichen. Sie unterscheiden sich von textorientierten, interaktiven Mehrwertdiensten durch die zusätzliche Möglichkeit der Einbindung und Darstellung von Grafiken, Tabellen, Fotografien, Videofilmen oder Tonsequenzen. Der Benutzer kann selbständig Informationen aus dem multimedial aufbereiteten Angebot auswählen. Im Internet wird bspw. Multimedia-Nutzung durch das World-Wide-Web ermöglicht, einem mit grafischer Oberfläche ausgestatteten Informationssystem. Die Netze von Online-Diensten werden auf Grund ihrer landes- oder weltweiten Verfügbarkeit zu den Wide Area Networks (WAN) gezählt.
Kommerzielle Online-Dienste arbeiten gewinnorientiert. Für ihre Nutzung ist ein Entgelt zu entrichten. Die Einnahmen des Betreibers können um Entgelte aus einer Beteiligung am Umsatz geworbener Kunden und aus der Vermietung von Werbefläche ergänzt werden. Alle kommerziellen Dienste sind mittlerweile an das Internet angeschlossen. Kommerzielle Online-Dienste sind durch ein zentral koordiniertes Angebot von Einzelanbietern und Subdiensten, klar strukturierte und leicht auffindbare Informationen, eine hohe Sicherheit und Zuverlässigkeit sowie langjährig erprobte Abrechnungsfunktionen gekennzeichnet. Die angefallenen Gebühren können unproblematisch über das Benutzerkonto abgerechnet werden.(14) Nachteilig für Anbieter eines Dienstes in diesen geschlossenen Systemen ist, daß nur Kunden des jeweiligen Systems erreichbar sind. Auch ist ein Dienstanbieter im Bezug auf die Technik an den Betreiber gebunden. Dieser ist für die konzeptionelle Weiterentwicklung und Anpassung des Online-Dienstes zuständig.(15) Dem Internet werden als nicht-kommerziellem Online-Dienst allerdings deutlich bessere Marktchancen eingeräumt als Datendiensten, die vom Empfänger abonniert werden müssen.(16) Im Vergleich zu kommerziellen Online-Diensten kann der Nutzer im Internet auf ein weitaus breiteres Informationsspektrum zurückgreifen, wobei für ihn der Zugriff in der Regel noch kostengünstiger ist.
Abbildung 2: Wachstum der kommerziellen Online-Dienste
Quelle: Eigene Berechnungen aufgrund Angaben der Systembetreiber
Bereits 1994 erreichte der Umsatz der fünf größten amerikanischen Online-Dienst-Anbieter rund 800 Millionen US-Dollar.(17) 1995 konnten sie erneut die Zahl ihrer Nutzer deutlich steigern. Gleichzeitig stieg mit dem Software-Anbieter Microsoft und seinem Microsoft Network ein weiterer mächtiger Anbieter in den Online-Markt ein. Das weltweite, rasante Wachstum von Online-Diensten (Abbildung 2) wird durch die weite Verbreitung von Personal Computern (PC), den Preisverfall der Telekommunikationsgeräte (Modems) sowie durch komfortable und nützliche Anwendungen (Electronic Banking oder Electronic Mail ) weiter gefördert.(18)
Abbildung 3: Aufbau des Cyberspace mit den wichtigsten Online-Netzen
In Anlehnung an: December/Randall 1995, S. 317.
Alle Online-Dienste sind Teil des Cyberspace , dem Datenweltraum, in dem sich der Mensch mittels Computertechnik bewegt. Technisch betrachtet besteht der Cyberspace (Abbildung 3) aus einzelnen, selbständigen Computernetzwerken und -systemen, die den Austausch von Information und die Kommunikation unter den Benutzern bewerkstelligen. Diese Systeme und Netze verwenden für den Nachrichtenaustausch unterschiedliche Protokolle. Viele, aber nicht alle Netzwerke besitzen Gateways (oder Austauschpunkte), um auf die Ressourcen des Internet zuzugreifen.(19)
Zu Beginn des Jahres 1995 teilten sich die beiden Anbieter Datex-J und CompuServe nahezu den gesamten kommerziellen deutschen Online-Markt. Wegen völlig unterschiedlicher Zielgruppen bestand kaum Konkurrenz. Im Laufe des Jahres kündigten vier weitere Online-Dienste (AOL Bertelsmann, eWorld, Microsoft Network und Europe Online) ihren Markteintritt in Deutschland an. Das Internet , ein nicht-kommerzieller Online-Dienst, verzeichnete 1995 auch in Deutschland wachsende Anschlußzahlen. Zum Jahresende 1995 hatte sich die Situation für Online-Dienste in Deutschland grundlegend gewandelt (Tabelle 1).(20)
Betreiber Nutzer Nutzer in verfügbar Dienst (Anteilseigner) weltweit Deutschland USA/BRD
Internet nicht-kommerziell 50.000.000 1.200.000 1969/1972 CompuServe H&R Block * 3.900.000 220.000 1979/1990 T-Online Deutsche Telekom ** 980.000 980.000 1983/1983 AOL Bertelsmann AOL, Bertelsmann 4.500.000 15.000 1983/1995 eWorld *** Apple Computer 130.000 k.A. 1994/1995 Microsoft Network Microsoft, TCI 600.000 k.A. Aug 1995 Europe Online Burda, AT&T, Meigher k.A. k.A. Dez 1995
Der englische Begriff Internet wird mehrdeutig verwendet. "An Internet" ist ein Netzwerk von Rechnern, die mittels der TCP/IP-Protokolle Daten austauschen können. Die Bezeichnung "The Internet" beschreibt den weltweit größten Verbund von Computernetzwerken, die miteinander unter dem Mantel der TCP/IP-Protokolle kooperieren und in dem alle miteinander verbundene Netzwerke wie ein einziges, zusammenarbeitendes, virtuelles Netzwerk funktionieren.(21)
Die Datenübertragungsprotokolle Transmission Control Protocol (TCP) und Internet Protocol (IP) haben sich im Laufe der Zeit als Standards zur Verbindung heterogener Netzwerke etabliert. Auch die Verbindungen zwischen den an das Internet angeschlossenen Teilnetzen sind nicht homogen. Als Übertragungsmedien können Kupfer- und Glasfaserkabel, Satelliten und Richtfunk verwendet werden. Mit der Verbreitung des Betriebssystems Unix, in das das TCP/IP-Protokoll eingebunden ist, und der Zunahme lokaler Netzwerke hat sich TCP/IP als Standard durchgesetzt und somit auch das rasante Wachstum des Internet begünstigt.(22) Die zu übertragenen Daten werden normalerweise im Internet paketorientiert versandt. Die einzelnen Datenpakete werden mit Absender und Zieladresse versehen (IP-Protokoll) und um eine Prüfsumme sowie eine laufende Nummer ergänzt (TCP-Protokoll). Dadurch können Schwierigkeiten mit verlorenen Paketen und einer anderen Empfangsreihenfolge umgangen werden. Durch das einheitliche Protokoll können Daten flexibel durch verschiedene Netze weitergeleitet werden. An jeder Zwischenstation sortiert ein Router ankommende Pakete neu und leitet sie in die entsprechende Richtung weiter, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Fällt eine Zwischenstation aus, werden die Datenpakete über einen anderen Weg weitergeleitet. Beim Empfänger sorgt das TCP-Protokoll für die Herstellung der richtigen Reihenfolge der Datenpakete.(23) Die auf den TCP/IP-Protokollen aufbauenden Anwendungen müssen sich nicht um die Versendung der Datenpakete kümmern.
Im Internet wird das Spektrum der nutzbaren Dienste nicht von den Netzbetreibern vorgegeben. Genutzt werden können Dienste, die auf TCP/IP aufsetzen. Auch die Entwicklung und der Einsatz eigener, neuer Dienste ist möglich. Eine weite Verbreitung ist davon abhängig, wieviele Nutzer diese als für sich relevant erachten. Die meisten Dienste dürfen kostenlos benutzt werden.(24) Internet-Dienste (Tabelle 2) können in Basisdienste (E-Mail , FTP , Telnet ), Bulletin Board Systeme (Mail-Server , Mailing-Listen und Newsgroups ), Informationsrecherchesysteme (Archie , Gopher , WAIS , World Wide Web ), Verzeichnisdienste (Finger, Whois, X.500), Dateisysteme und Kommunikationssysteme (Talk, IRC, Video-Konferenzen) unterteilt werden.(25)
Basisdienste Bulletin Informations Verzeichnis- Dateisysteme Kommuni- Board recherche dienste kations- Systeme systeme systeme
E-Mail Mail-Server Archie Finger Alex Talk FTP Mailing-Listen Gopher Whois Prospero IRC Telnet Newsgroups WAIS X.500 Video- WWW konferenzen
Electronic Mail (E-Mail) ermöglicht das Versenden einer Mitteilung von einer Person an eine Zielperson über elektronische Netzwerke, ohne daß der Empfänger anwesend bzw. sein Endgerät zu diesem Zeitpunkt erreichbar sein muß. Aus diesem Basisdienst haben sich Mail-Server entwickelt, die automatisch ankommende E-Mails analysieren und angeforderte Informationen zurücksenden. Mailing-Listen werden für die Versendung von Nachrichten von einer Person an viele Personen verwendet. Jeder an den Mailing-Listen-Verteiler geschickte Artikel erreicht alle Abonnenten der Liste. Über Newsgroups (Sammlung von Beiträgen zu einem Thema) werden Nachrichten von vielen Personen an viele Personen zugänglich gemacht. Dieses öffentliche Kommunikationsmedium ist mit einem weltweiten, nicht interaktiven Konferenzsystem vergleichbar.(26)
Die Datenübertragung zwischen verschiedenen Rechnern über das Internet wird durch das File Transfer Protocol (FTP) ermöglicht. Mit Archie steht eine monatlich aktualisierte Datenbank der Dateien zur Verfügung, die weltweit über FTP-Server angeboten werden. Zur Datenfernverarbeitung wird der dritte Basisdienst Telnet verwendet. Er erlaubt die Nutzung der Kapazitäten räumlich entfernter (Groß-)Rechner am eigenen Computer.(27)
Gopher ist ein weltweites Informationssystem, bei dem die Informationen über hierarchisch strukturierte Menüpunkte abgerufen werden können. Der Benutzer muß beim Anklicken der Menüpunkte nicht wissen, wohin er eine Verbindung aufbaut. WAIS (Wide Area Information Service) ist ein Netzwerkservice, bei dem Datenbestände (Volltext) nach inhaltlichen Kriterien durchsucht werden können. Das World Wide Web (WWW ) ist ein mit grafischer Benutzeroberfläche ausgestattetes, auf Hypertext basierendes Informationssystem.(28) Den Anwendern steht eine einheitliche Schnittstelle für alle wichtigen Internet-Dienste zur Verfügung (Telnet , FTP , Archie , WAIS , Gopher , News, HTTP). Mit dem WWW ist eine multimediale Darstellung von Texteinträgen, Grafiken, Dialogelementen, Animationen und Sounds möglich. Leichte Bedienbarkeit und technische Möglichkeiten machen es mittlerweile zu einem der beliebtesten Dienste des Internet.
Internet Talk (Talk) erlaubt eine Online-Unterhaltung mit einem Gesprächspartner, während der Internet Relay Chat (IRC) Online-Kommunikation zu bestimmten Themen mit vielen Gesprächspartnern ermöglicht. An Verfahren für Audio- und Video-Konferenzen über das Internet wird noch experimentiert.
Viele weitere Serviceleistungen des Internet basieren auf den oben vorgestellten Diensten. Durch das wegen seiner Größe praktisch unüberschaubare Angebot werden nahezu alle Bereiche abgedeckt: Diskussionsforen zu vielen Sachgebieten, Angebote zur Aus- und Fortbildung , staatliche und kommunale Dienste, Postdienste, Informationsdienste (inkl. Zeitungen und Zeitschriften), Bankdienste, geschäftliche Anwendungen oder Unterhaltungsangebote . Wissenschaftler und Künstler nutzen das Internet mit seinen neuartigen Kommunikationsmöglichkeiten für eigene Entwicklungen und Publikationen. Angesichts seiner dezentralen Struktur ist das Internet einer hohen Dynamik unterworfen, die detaillierte Beschreibungen sehr schnell veralten läßt.
Forscher arbeiten in Zusammenarbeit mit dem Internet Architecture Board (IAB) zur Zeit an einer Fortentwicklung des Internet-Protokoll s: IP Next Generation. Der Adreßraum zweier Netz-Klassen erreicht aufgrund der großen Nutzerzahl in naher Zukunft seine Grenzen. Auch soll das Internet um zwei unabhängige Sicherheitsoptionen ergänzt werden. Die Überprüfung auf Authenzität und Integrität sowie die Implementierung von Verschlüsselungsverfahren sollen die Sicherheit für Anwender verbessern.(29) Neben Verfahren, die Video-Konferenzen ermöglichen sollen, wird auch mit Voice Mail, Video Mail und VRML-Browsern (für dreidimensionale Darstellungen) experimentiert. Mit der Programmiersprache Java erhält das Internet gegenwärtig eine neue Basis für die Entwicklung weiterer neuer Dienste sowie für eine einfachere Programmierung von Anwendungen.(30)
Ursprünglich ist das Internet für nicht-kommerzielle Zwecke konzipiert worden. Es werden keine zentral erhobenen Netzgebühren oder Einschaltgebühren verlangt. Jeder Computer und jedes Netzwerk kann an das Internet angeschlossen werden. Neben einem Rechner wird ein Modem, ein Telefonanschluß, Kommunikationssoftware (inkl. Anwendungen) sowie eine Zugangsberechtigung zu einem bereits an das Internet angeschlossen Netz benötigt. Der Aufbau einer direkten (Standleitung) oder indirekten Verbindung (Wählleitung) entscheidet über die Nutzungsmöglichkeiten des Anwenders. Internet-Service-Provider betreiben Rechnernetze, die in das Internet integriert sind. Sie bieten ihren Kunden gegen ein Entgelt die Möglichkeit des Zugriffs auf ihr Teilnetz, über das auf andere, ins Internet eingegliederte Rechnernetze zugegriffen werden kann.
Im Internet sind heterogene Computernetze dezentral miteinander verbunden. Niemand kann daher das Internet kaufen, besitzen oder beherrschen. Es setzt sich aus vielen, unterschiedlichen Teilnetzen zusammen: Nationale Backbone-Netze (Hochschul-, Forschungs- und Verwaltungsnetze), Bürgernetze (Community Network s, Mailbox systeme und Freenets), Firmennetze, kommerzielle Anbieternetze (Telekommunikations- und Mehrwertnetze) sowie Mischformen. Wegen der dynamischen und ständig wachsenden Struktur des Internet ist eine genaue Größe des Netzes nicht feststellbar. Obwohl das Internet nur ein Teil des Cyberspace (Abbildung 3) ist, stellt es die gegenwärtig größte Ausprägung eines WANs dar. Vom Internet existieren Gateways zu anderen WAN-Netzwerken, die unter völlig anderen Protokollen laufen (z.B. FidoNet, BITNET, UUCP-Net).
In Deutschland besteht das Internet aus mehreren parallelen Teilnetzen. Die kommerziellen Internet-Service-Provider EUnet Deutschland (Dortmund) und Xlink (Karlsruhe), die aus Initiativen der Informatik-Fakultäten der jeweiligen Universitäten entstanden sind, dominierten lange Zeit den deutschen Internet-Service-Provider-Markt. Erst 1994 wurde das Duopol durch MAZ und Contrib.Net aufgebrochen. 1995 stiegen ECRC und Nacamar in das kommerzielle Internet-Service-Provider -Geschäft ein. Der Wissenschaftsbereich (Universitäten und Forschungsinstitute) ist überwiegend über das vom DFN betriebene Wissenschaftsnetz (WiN ) angeschlossen. Eine Reihe weiterer Firmen, die über eine Leitung mit einem Anbieter in den USA verbunden sind, verkaufen diese Kapazitäten in Deutschland auf eigene Rechnung. Aber auch kommerzielle Online-Anbieter, internationale Telekommunikations- und EDV-Konzerne mit eigenen weltweiten Netzwerken (wie CompuServe , IBM, MCI oder T-Online ) arbeiten in Deutschland als Internet-Service-Provider .(31)
Das Internet ist selbstorganisierend. Eine zentrale Organisation war und ist nicht mit Planung, Kontrolle und Organisation des Netzes betraut. Jedes einzelne Netz wird von seinem eigenen Koordinator verwaltet. Er trägt die Verantwortung für den Betrieb seines Computernetzes und dessen Anbindung an Nachbarnetze. Die Teilnetze sind technisch, organisatorisch und finanziell autonom. Dennoch müssen gewisse organisatorische Aufgaben auch im Internet wahrgenommen werden: Mit der Vergabe und Verwaltung von IP- und Domain-Adressen sind Network Information Center (NIC) beauftragt. Für die Standardisierung und Weiterentwicklung des TCP/IP-Protokolls liegt die Zuständigkeit beim Internet Architecture Board (IAB) und seinen Subkommitees Internet Engineering Task Force (IETF) und Internet Research Task Force (IRTF). Die Internet Society (ISOC) sorgt unter anderem für den Ausbau und die Koordinierung internationaler Verbindungen.(32)
Hardware, Software und Netztechnologien entwickeln sich ständig weiter. Viele grundlegenden Technologien des Internet sind von amerikanischen Wissenschaftlern entwickelt worden, weil das Internet aus einem US-amerikanischen militärischen Forschungsprojekt entstand.(33) Zunehmend tragen aber auch Forscher aus anderen Ländern aktiv zur Fortentwicklung der Technik bei: Das World Wide Web ist am CERN in Genf, das Internet Phone in Israel entwickelt worden. Nach einer militärischen und einer wissenschaftlich-öffentlichen Entwicklungs- und Nutzungsphase durch Universitäten und Regierungsstellen gewinnt seit 1994 die kommerzielle Nutzung des Internet eine dominierende Bedeutung. So ist ein Zuwachs an kommerziellen Inhalten (direkte Produktwerbung und Produktvermarktung) im Internet zu beobachten. Kommerzielle Interessen dominieren auch immer stärker den Betrieb der Teilnetze (ANS, MCI, Sprint) und die Erstellung von Software (Netscape, Sun).(34)
Durch die offene Konzeption des Internet kann jeder Teilnehmer mit einem vollwertigen Anschluß sowohl Informationsanbieter als auch Informationskonsument sein. Daher steigt die weltweit verfügbare Datenmenge täglich, wovon auch die Nutzer profitieren können. Schätzungen liegen bei weltweit 50 Millionen Internet-Nutzern an über 60.000 Netzwerken (bei knapp 1.2 Millionen potentiellen Nutzern in Deutschland). In Deutschland verfügen rund 300.000 Nutzer über einen direkten IP-Zugang.(35) Das monatliche Wachstum des Internet wird auf rund zehn Prozent geschätzt, wobei kommerzielle Internet-Bereiche etwas stärker wachsen.(36) In Rußland, Indien, dem Baltikum oder Ungarn ersetzt das Internet mittlerweile in vielen Unternehmen herkömmliche Informationsstrukturen (wie Telefon oder Fax), die meist nur mit erheblichen Aufwand modernisiert oder genutzt werden können.(37) Ein an das Internet angeschlossenes Kommunikationssystem, das sehr leistungsfähig sein kann, läßt sich dagegen mit relativ geringen Aufwand einrichten.
Durch das Internet können sich qualitative, neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln. Die Schnelligkeit von Veröffentlichungen im Internet verbessert den allgemeinen Informationsfluß. Ein schneller Austausch von Informationen bei im ganzen geringeren Kommunikations- und Portokosten wird ermöglicht: Nachrichten und Problemlösungen sind rasch weltweit verfügbar, Antworten erreichen schneller den Empfänger. Dadurch verlieren geographische Entfernungen zunehmend an Bedeutung. Die weite Verbeitung des Internet erhöht die Informationsvielfalt. Da Übergänge zu vielen Rechnernetzen bestehen, können Informationen weltweit zu bestimmten Themengebieten in die Diskussion im Internet einfließen. Die Entstehung neuer, internationaler, stark untereinander aktiver Gemeinschaften wird durch das Internet gefördert. Dadurch können Interessen und Horizonte des Einzelnen erweitert werden.
Die Nutzung ist relativ preiswert. Die meisten Internet-Dienste und -Anwendungen stehen für die private Nutzung kostenlos (Public Domain Software) oder gegen ein geringes Entgelt (Shareware) zur Verfügung. Für eine gewerbliche Nutzung müssen jedoch häufig Lizenzen an die Urheber bezahlt werden. Die Dienste sind rund um die Uhr erreichbar. Durch grafische Oberflächen wie Gopher oder WWW wird das Internet auch für Laien immer einfacher zu bedienen, ohne daß ein Nutzer sich eine Vielzahl an Telefonnummern, Login-Kennungen, Passwörter und Zugangsnummern merken muß. Dies ist eine Hauptursache für den enormen Nutzeranstieg des Internet .
Schwierigkeiten bereiten den Nutzern des Internet gegenwärtig die mangelnden Sicherheitsmaßnahmen bzgl. Abhörbarkeit, Verfälschung, Geheimhaltung oder Verschlüsselung. Noch existieren keine weltweit verfügbaren, standardisierten und akzeptierten Sicherheitsmechanismen. Geheimdienste sorgen sich darum, die Kommunikation des organisierten Verbrechens nicht mehr abhören zu können, wenn diese hoch komplexe Sicherheitsmechanismen verwenden. In einigen Staaten wurde deswegen ein Kryptographieverbot erlassen. Die unzureichende Sicherheit schreckt jedoch potentielle Investoren und Nutzer ab.(38) Unsicherheit besteht auch über die jeweils gültigen rechtlichen Bestimmungen im Internet . Die durch das Internet verbundenen Länder (über 140 Nationen) verfügen über sehr unterschiedliche Gesetzgebungen, die auch Aktivitäten im Netz betreffen. In einigen Staaten erfüllen bestimmte Fälle der Internet-Nutzung (z.B. Verschlüsselung von Dateien in Frankreich) Strafbestände, was in anderen Staaten nicht der Fall ist. So kann unbemerkt mit einem weltweit angebotenen Dienst im Internet gegen geltende Gesetze verstossen werden. Durch eine mangelnde Rechtssicherheit droht daher eine Stockung der internationalen wirtschaftlichen Entwicklung des Internet. Aber auch innerhalb Deutschlands ist die Rechtslage nicht eindeutig.(39) 1996 ermitteln Staatsanwaltschaften in München und Mannheim gegen die Internet-Service-Provider CompuServe und T-Online wegen Verdachts der Beihilfe zur Verbreitung kinderpornographischer und antisemitischer Schriften über das Internet , die auf ausländischen Rechnern zum Abruf bereit stehen. Ob Internet-Service-Provider dafür zur Rechenschaft gezogen werden können, ist bisher in Deutschland nicht zweifellos geklärt.(40)
CompuServe Information Service ist ein vorwiegend amerikanisch geprägter Dienst, der seit 1979 am amerikanischen Online-Markt und seit 1990 in Deutschland vertreten ist. Weltweit waren zum Jahresende 1995 rund 3.9 Millionen CompuServe-Nutzer registriert.(41) In über 150 Ländern verfügt CompuServe über zumindest einen nationalen Zugangsknoten. Eigentümer der Muttergesellschaft ist der Finanzkonzern H&R Block Inc. Es sind Joint Ventures in Japan und Tochtergesellschaften in Australien, Deutschland und Frankreich gegründet worden.(42)
Die deutsche Niederlassung (München) verzeichnete 1995 ca. 220.000 zahlende deutsche CompuServe-Anwender (Vergleich 1994: 78.800).(43) Bis zum Jahresende 1995 konnten monatlich bis zu 20.000 Abonnenten als Neukunden gewonnen werden. Die Gebührenstrukturreform der Deutschen Telekom (neue Tarife seit dem 1.1.1996), eine Sperrung des Zugangs von bestimmten Newsgroups des Internet für CompuServe-Anwender und die Währungsumstellung von US-Dollar auf DM (mit höheren Grundgebühren) führen 1996 zu einem eher verhaltenen Wachstum. Die weltweite Sperrung von rund 200 Newsgroups erfolgte im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Verdachts der Beihilfe zur Verbreitung kinderpornographischer Schriften. Sie ist nach einer Protest- und Austrittswelle national begrenzt und Mitte Februar 1996 größtenteils wieder aufgehoben worden.(44)
Die Dienste des CompuServe Information Service sind schwerpunktmäßig auf Geschäftskunden (professionelle Anwender) ausgerichtet. Das Angebot umfaßt auch Dienste für Privatkunden, die zukünftig stärker berücksichtigt werden sollen. Unter den über 3000 angebotenen Datendiensten finden sich allerdings bisher nur 63 deutschsprachige Datendienste. 900 Foren zum Erfahrungsaustausch zu bestimmten Fachbereichen ergänzen mit schwarzen Brettern, Datenbibliotheken und Konferenzschaltungen das Angebot. Im computerbezogenen Bereich verfügt CompuServe durch die Präsenz der meisten Hard- und Softwareanbieter über eine hohe Bedeutung. Informationen, Up-Dates, Demoversionen, Public Domain Software, Shareware und Freeware von über 700 Herstellern stehen zum Abruf bereit. Es existieren auch Verbindungen zu anderen Mail-Diensten (z.B. Telex, Telefax, Telebrief, X.400-Subsysteme) und zum Internet .(45)
Die angebotene Dienste werden in die Kategorien Free Service, Basis Service, Extended Service und Premium Service unterteilt, mit denen unterschiedliche Nutzungsgebühren (auf Zeitbasis) verbunden sind. Die Executive Service Option ergänzt mit Spezialinformationen für Führungskräfte das Angebot. Die Internet-Nutzung wurde zunächst gesondert in Rechnung gestellt. Für Kunden bedeutete dies sehr verwirrende Abrechnungen. Der Erfolg des Konkurrenten America Online mit seiner einfachen Abrechnung bewog CompuServe 1995 zu einer Restrukturierung des Abrechnungssystems. 1996 sind die Preise in Deutschland von US-Dollar auf DM umgestellt worden: Zu 19,95 DM für fünf Stunden Grundnutzung pro Monat und 4,95 DM für jede weitere Stunde fallen Zusatzgebühren (z.B. für Premium-Dienst) und Telefongebühren an.
Zwei Großrechnerzentren mit rund 120 Mainframes in Columbus (Ohio) sorgen weltweit für die Bereitstellung aller CompuServe-internen Dienstangebote. Die zunehmende Anzahl europäischer Nutzer und deren steigende Internet-Nutzung sorgen für eine hohe Belastung der interkontinentalen Übertragungsverbindung von Europa nach Amerika. Daher plant CompuServe, daß Europa 1996 ein eigenes Rechenzentrum erhalten soll. Internet-Zugänge in Deutschland, Frankreich und Großbritannien sollen die Verbindungen in die USA weiter entlasten.
1993 standen den Nutzern bundesweit zehn Einwahlknoten sowie Zugänge über Datex-J und Datex-P zur Verfügung. Ihre Zahl wurde 1995 auf 62 Einwahlpunkte erhöht (13 mit 9600 bzw. 14400 Bit/s und 49 mit 2400 Bit/s Übertragungsgeschwindigkeit). Nach Erweiterung der internen Übertragungskapazität auf 30 Mbit/s plant CompuServe für 1996 die Ausweitung des Netzes auf 180 Zugangsknoten sowie die Bereitstellung von ISDN-Anschlüssen. Zur Nutzung werden ein Computer, Modem, Telefonanschluß und CompuServe-Zugangssoftware (Terminalemulationsprogramm, Online-Reader oder Offline-Reader) benötigt. Der weit verbreitete Online-Reader CompuServe Information Manager (CIM) erhielt 1995 eine neue Oberfläche mit einem integrierten WWW -Browser samt Internet-E-Mail-Funktion. Mittlerweile ist auch die Erstellung eigener Internet-Seiten möglich.(46)
Der stärker werdende Wettbewerb um Kunden zwingt neben CompuServe auch Telekom-Online (T-Online ) zu Veränderungen des bestehenden Angebotes. T-Online entwickelte sich aus dem Bildschirmtext (Btx) und Datex-J . Btx ist ein Kommunikationsdienst, bei dem Texte, Daten und Grafiken seitenorientiert über Telefonleitungen übertragen und mit Hilfe von Modem und Decoder auf einem Fernseher oder Monitor sichtbar gemacht werden. Der stark auf den deutschen Sprachraum ausgerichtete Service wurde von der Deutschen Bundespost in Zusammenarbeit mit dem British Post Office als Videotex-Dienst entwickelt und 1983 als Bildschirmtext eingeführt.
Dieser Dienst verzeichnet die meisten Teilnehmer aller kommerziellen Online-Dienste in Deutschland. Bis 1992 konnte allerdings nur ein leichter Anstieg auf 340.000 Nutzer registriert werden, womit die Zahlen weit unterhalb jeder Prognose(47) vor Einführung des Dienstes blieben. Mit einer veränderten, aggressiven Marketingstrategie(48) wurde das System als Datex-J neu plaziert. Dem klassischen Btx wurden Übergänge zu Cityruf, Telefax, Telebrief und E-Mail hinzugefügt. Der kombinierte Verkauf von Decodern und Anschlüssen sowie die Verbreitung von Homebanking -Software mit integriertem Datex-J-Anschluß sorgte für ein Ansteigen der Nutzerzahlen. Ende 1994 wurden bereits über 700.000 zahlende Kunden verzeichnet. Die allgemeine Internet -Euphorie, die für Werbezwecke genutzt wird, sorgt seit 1995 für einen weiteren massiven Wachstumsschub. Mit dem neuen Namen T-Online , einer neuen grafischen Oberfläche KIT (Kernsoftware für Intelligente Terminals) und einem integrierten Internet-Zugang konnte die Reichweite des Dienstes 1995 auf 980.000 Kunden erhöht werden.(49)
Im Dezember 1995 wurde der Online-Dienst T-Online aus der Deutschen Telekom AG ausgegliedert und in eine Beteiligungsgesellschaft überführt. An der gegründeten T-Online GmbH sind die Deutsche Telekom AG (62 %), AOL Europa Bertelsmann Online (33%) und der Axel Springer Verlag AG (5%) beteiligt. Die beteiligten Unternehmen wollen im Bereich Online-Dienste zukünftig zusammenarbeiten.(50)
Genutzt wird T-Online von privaten und professionellen Nutzern. Ende 1994 existierten rund 650 geschlossene Benutzergruppen, zu denen nur ein beschränkter Teilnehmerkreis eine Zugangsberechtigung besitzt. Sie dienen in der Regel zur deutschlandweiten Kommunikation von Unternehmen mit Außendienstmitarbeitern und Niederlassungen.
5700 Anwendungen stehen allen Benutzern von T-Online zur Verfügung. Beim Homebanking besitzt T-Online eine Monopolstellung in Deutschland, da deutsche Kreditinstitute Online-Banking für Privatkunden bisher nur über diesen Dienst anbieten. Ein zuverlässiges Sicherheitskonzept sorgt für einen Marktvorteil gegenüber dem Internet oder CompuServe . Banken und Sparkassen übernehmen die Kosten des Erstanschlusses für ihre Privatkunden, da sie sich vom Homebanking über T-Online eine Senkung der eigenen Verarbeitungskosten versprechen. Homeshopping (z.B. Quelle, Otto, Baur oder Neckermann), Auskunfts- und Informationsdienste (z.B. Deutsche Bahn AG oder Lufthansa) ergänzen das Angebot. Unterhaltungs- und Erotikdienste finden in den Medien überproportionale Aufmerksamkeit.
Ein Zentralrechner in Ulm stellt rund 780.000 Bildschirmseiten der rund 2700 kommerziellen Anbieter bereit.(51) Über 550 externe Rechner mit einem eigenen Angebot sind an T-Online angekoppelt. Seit 1995 wird auch der direkte Zugriff auf das Internet angeboten. Dabei handelt es sich um einen vollwertigen Direktzugang auf Basis des Point-to-Point-Protokolls (PPP) im Rahmen der neuen Oberfläche KIT. Angebote können seitdem hochauflösende Grafik, Sound und die leichte Mausbedienung nutzen. T-Online gewinnt dadurch an optischer Qualität. Allerdings müssen alle alten Seiten neu programmiert werden, wenn sie von KIT profitieren wollen. Die benötigte Software wurde kostenlos an die Kunden verteilt.
Für die T-Online-Anschlußbereitstellung ist 50 DM zu zahlen, die aber von rund 400 Vermarktungspartnern übernommen werden kann. Neben der monatlichen Grundgebühr (8,00 DM analoger Anschluß, 64,00 DM ISDN-Anschluß) werden stündliche Nutzungsgebühren von 3,60 DM (Standardtarif) bzw. 1,20 DM (Spartarif) berechnet. Diese werden um Zuschläge für Btx Plus-Nutzung (3,60 DM/h) und Internet-Nutzung (6,00 DM/h) sowie Gebühren für die Inanspruchnahme bestimmter Seiten (seiten- oder zeitorientiert) ergänzt. Ab Mai 1996 sollen die Kosten für Internet-Nutzung auf 3,00 DM/h gesenkt werden. Weil T-Online über ein flächendeckendes Einwahlnetz verfügt, werden Verbindungsgebühren bundesweit lediglich zum Ortstarif berechnet. Die Übertragungskapazitäten sind mittlerweile von 1200 auf 2400 Bit/s erweitert worden. Wegen der Nachfrage nach schnelleren Zugängen werden die Zugangsknoten seit 1995 auf 14.400, 28.800 und 64.000 Bit/s (ISDN-Qualität) ausgebaut.(52)
Neben dem deutschen Bildschirmtext wurden von anderen nationalen PTT-Unternehmen weitere interaktive Videotex-Dienste entwickelt. 1995 konnte France Télécom mit Teletel/Minitel die höchste Teilnehmerzahl verzeichnen: 6.500.000 Nutzer. Dieser Dienst wurde 1983 eingeführt, um unter anderem die Ausgaben für das gedruckte Telefonbuch und die Fernsprechauskunft einzusparen. Der französischen Bevölkerung wurden kostenlos einfache Terminals (Minitel) zur Verfügung gestellt. Auf die Erhebung einer monatlichen Grundgebühr ist verzichtet worden. Über 8000 Anbieter sind in diesem französischem Online-Dienst vertreten. Andere verbreitete nationale Videotex-Dienste existieren in den Niederlanden (Videotext), Italien (Videotel), Großbritannien (Prestel Network) und der Schweiz (Videotex).(53)
Das Jahr 1995 markiert für den deutschen Markt der Online-Dienste einen entscheidenen Wendepunkt. Vier neue Dienste (AOL Bertelsmann, eWorld, Microsoft Network und Europe Online) nahmen ihren Betrieb in Deutschland auf.
Im Frühjahr 1995 schlossen sich America Online Inc. und die deutsche Bertelsmann AG zusammen, um gemeinsam einen europäischen Online-Dienst AOL Bertelsmann Online mit Sitz in Hamburg aufzubauen. Im Zusammenhang mit dieser Partnerschaft wurde die Bertelsmann AG Aktionär (5 Prozent) bei America Online Inc. Dieser Allianz schloß sich im Herbst 1995 die Deutsche Telekom AG an, die eine Option der Bertelsmann AG auf ein weiteres Aktienpaket an America Online wahrnahm. Eine Fusion von AOL Bertelsmann Online und T-Online ist nicht geplant. Statt dessen soll T-Online zukünftig mehr auf professionelle Anwender und AOL auf private Haushalte ausgerichtet werden.(54)
Am 28. November 1995 nahm AOL in Deutschland den deutschsprachigen Dienst auf. Der Online-Dienst auf Basis der AOL-Infrastruktur und -Technik wird um ein nationales Angebot ergänzt. Für den Aufbau des europäischen Dienstes werden Startinvestitionen in Höhe von rund 300 Millionen DM veranschlagt. Inhaltliche Schwerpunkte des deutschsprachigen Angebots liegen bei Nachrichten, Information, Homebanking , Software, Unterhaltung und Gesundheit. Es wird auch ein Zugang zu allen amerikanischen und europäischen Diensten und dem Internet angeboten.(55)
Die monatliche Grundgebühr von 9,90 DM umfaßt zwei Stunden Nutzung. Jede weitere Stunde Nutzung wird mit 6,00 DM berechnet. Weitere Zuschläge existieren nicht. Das Zugangsnetz wird 1996 aus rund 50 Knoten mit 28.800 Bit/s und 64.000 Bit/s (ISDN)-Anschlüssen bestehen. Die Verbindungskosten bis zum Einwahlpunkt zahlt der Nutzer über seine Telefonrechnung.(56) Bis Ende 1995 konnten bereits 15.000 zahlende Kunden gewonnen werden.(57) Für 1996 ist die Eröffnung von Diensten in Großbritannien, Frankreich, Benelux und Skandinavien geplant. 1995 wurde AOL nach 12 Jahren mit rund 4,5 Millionen Nutzern neuer Marktführer (1993: 500.000).(58) Durch weitere strategische Allianzen versucht America Online Inc., seine Position gegenüber den Konkurrenten zu festigen.
Mit der AOL-Technologie wurde auch der von Apple Computer betriebene Online-Dienst eWorld ausgestattet. Der seit Juni 1994 in den USA verfügbare Dienst ist speziell für Macintosh-Nutzer entwickelt worden, um Apple-Kunden mit Informationen und Software zu versorgen. Folglich lag der inhaltliche Schwerpunkt von eWorld im technischen Bereich rund um den Apple Macintosh. Die Oberfläche wurde sehr reichhaltig mit multimedialen Komponenten (Grafiken, Stimmen, und Geräusch-Tools) ausgestattet. Anfang März 1996 verkündetet Apple, daß der Online-Dienst eWorld im Rahmen neuer Unternehmens-Strategiekonzepte zum 31. März 1996 eingestellt wird. Apple möchte stattdessen seine sonstige Präsenz im Internet stärker ausbauen.(59)
In Deutschland waren bis Ende 1995 elf Zugänge (zu 9.600 Bit/s und 14.400 Bit/s) in Betrieb. Zur Nutzung von eWorld mußte amerikanische Software verwendet werden, über die der Zugriff auf Informationsdienste, Diskussionsforen und einen Internet-Zugang möglich war. Die Abrechnung in Deutschland erfolgte in US-Dollar: Zur Grundgebühr von 9,95 US-Dollar (inkl. einer Stunde Nutzung) fielen 9,95 US-Dollar für jede weitere Stunde Nutzung sowie die Telefongebühren an. Bei einem Zugriff aus dem Internet heraus wurden als Grundgebühr 9,95 US-Dollar für fünf Stunden und 2,95 US-Dollar für jede weitere Stunde berechnet.(60)
Auch das Softwareunternehmen Microsoft entschloß sich zu einem Einstieg in das Online-Geschäft. Im August 1995 startete Microsoft Network (MSN) seinen Betrieb als eigenständiger Online-Dienst. Zusammen mit seinem neuen Betriebssystem Windows 95 wurde die notwendige Zugangssoftware für den Online-Dienst verteilt. In der Bündelung von Betriebssystem und Zugangssoftware sahen die Konkurrenten einen kartellrechtlich bedenklichen Wettbewerbsvorteil und zogen vor Gericht. Eine endgültige Entscheidung wurde bisher vertagt.(61) Bis Ende 1995 wurden bereits rund 600.000 Kunden gewonnen.(62) Dennoch verkündete Bill Gates im Dezember 1995 einen aufsehenerregenden Wechsel der MSN-Strategie. Nach einem strengen Abgrenzungskurs gegenüber dem Internet wurde das Konzept gewechselt: Statt den Aufbau eines eigenen Netzes weiter zu forcieren, soll MSN Bestandteil des Internet werden. Microsoft möchte dazu stark in das Internet-Geschäft einsteigen.(63)
Das Angebot von MSN umfaßt u.a. Informationsdienste, Diskussionsforen (MSN-Bulletin-Boards) und einen Internet-Zugang. Für europäische Anwender wird dieser Internet-Zugang erst ab 1996 nutzbar sein. Außerdem konnte in der Anfangsphase mit neun deutschen Anbietern (bei rund 200 Anbietern weltweit) nur ein mageres Dienstangebot präsentiert werden. Für den April 1996 wird im Rahmen der neuen MSN-Strategie mit einer kompletten Umstrukturierung des Angebots gerechnet.(64) Ein Zugang zu MSN besteht in Deutschland seit September 1995. 18 Einwählknoten mit Übertragungsgeschwindigkeiten von 9.600 Bit/s und 14.400 Bit/s stellten 1995 die Verbindung von Deutschland zum Zentralrechner in Bellevue (bei Seattle, Washington) her. Ein weiterer Ausbau des Netzes ist für 1996 geplant. Dann sollen sich 75 Prozent der deutschen Haushalte zum Ortstarif einwählen können. Der Nutzer bezahlt 14,00 DM Grundgebühr (inkl. zwei Stunden freier Nutzung) sowie 7,50 DM für jede weitere Stunde pro Monat. Außerdem müssen Zuschläge für bestimmte Dienste bezahlt werden.
Ein weiterer deutscher Großverlag, der Burda Verlag, plante 1995 einen Einstieg in den europäischen Online-Dienst-Markt. Zusammen mit britischen (Pearson) und französischen (Matra-Hachette) Verlagshäusern sowie luxemburgischen Investmentbanken sollte Europe Online als eigenständiger Online-Dienst entwickelt werden. Hierzu wurde die Softwareplattform Interchange, ein komfortables Online-Betriebssystem, von AT&T lizensiert. Am Streit über eine Öffnung zum Internet zerbrach im Herbst 1995 dieses Bündnis. Matra-Hachette zog sich aus der Holding zurück, um ein eigenes Netz von Internet-Einwählknoten in Frankreich aufzubauen und um sich mehr auf seine eigenen Inhalte zu konzentrieren. Pearson kündigte eine plattform-neutrale Entwicklung und den Aufbau von eigenen Internet-Zugängen in Großbritannien an.(65) Weitere Verhandlungen mit dem Metro-Konzern und der Springer Gruppe führten zu keinem Erfolg. Damit war auch die Idee eines geschlossenen, europäischen Netzes mit exklusiven Inhalten gescheitert.
Mit neuen Partnern (AT&T und Meigher Communications) versucht Europe Online nach dem Scheitern als eigenständiger Dienst sich als Content Provider im Internet . Auf die Nutzung der Softwareplattform Interchange ist verzichtet worden. Seit dem 15. Dezember 1995 ist Europe Online im Internet mit einem eigenen Angebot präsent. Die Inhalte zu den Sparten Service, Kommunikation , Nachrichten und Unterhaltung stehen in deutscher, englischer und französischer Sprache zum Abruf bereit.(66) Als Zielgruppen des Dienstes haben die Betreiber Familien, junge PC-Nutzer und Kleinunternehmer im Auge. 200 lokale Einwahlpunkte mit mindestens 14.400 Bit/s (inkl. 40 ISDN-Zugängen) sollen bundesweit aufgebaut werden, um möglichst vielen Kunden die Einwahl im Nahbereich zu ermöglichen.(67) Eine monatliche Grundgebühr von 7,00 DM umfaßt zwei Stunden Dienst-Nutzung, jede weitere Stunde kostet 4,20 DM.
Die amerikanischen Online-Dienste GEnie , Prodigy , Delphi und BIX haben bisher keinen großen Markteintritt in Deutschland erwogen. Sie sind in Deutschland jeweils über einen zentralen Zugangspunkt zu erreichen.
Mailbox en (Elektronische Briefkästen oder Bulletin Board Systeme) dienen ebenfalls zum Informationsaustausch. Die Verbindung erfolgt über Modem und Terminalprogramm. Mailboxen ermöglichen den Empfang und die Versendung elektronischer Post, Diskussionsforen, Dateiaustausch und Dateiversand. Mailboxen werden in kommerzielle (z.B. GeoNet) und nicht-kommerzielle (z.B. FidoNet, MAUS-Net, Z-Netz) unterteilt. Allein in Deutschland existieren über 2.000 Mailboxen.(68)
Abschließend ist festzustellen, daß das Internet in Zukunft eine führende Rolle im Bereich der Online-Dienste einnehmen wird. Mit dem breiten Informationsspektrum und den günstigen Zugriffskonditionen können kommerzielle Online-Dienste nur schwer konkurrieren. Sie haben sich daher auf diese Entwicklung bereits eingestellt: CompuServe , T-Online und AOL bieten seit Mitte 1995 einen Zugang zum Internet an. MSN und Europe Online verzichten auf eine eigene Online-Dienst-Plattform und richten ihren Dienst auf das Internet aus.(69)
Bei der Betrachtung des deutschen Online-Marktes sind einige Indikatoren für eine verzögerte Entwicklung zu beobachten. Nach wie vor wird der deutsche Online-Markt durch das Ausgangsland USA stark geprägt. So ist die weltweite Sprache der Online-Dienste Englisch.(70) Der Umfang an deutschsprachigen Angeboten ist im weltweiten Vergleich noch gering, aber er nimmt stetig zu. Mitte 1995 konzentriert sich in Amerika mit über 10 Millionen die größte Zahl der Teilnehmer an Online-Diensten . Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, daß Online-Dienste in den Vereinigten Staaten weitaus früher und im größeren Umfang angeboten wurden als in der Bundesrepublik. Über die höchste Anschlußdichte pro Einwohner verfügt allerdings Frankreich, wo allein 6.5 Millionen Anschlüsse für Minitel eingerichtet sind (Deutschland : 1.2 Millionen Online-Anschlüsse).(71)
Auch die Zahl der Internet -Hosts je Haushalt (Abbildung 4) weist 1994 bei Deutschland mit 4 Prozent auf eine verzögerte Entwicklung hin. Im Vergleich verfügt das Internet in Finnland (21 %), Norwegen (20 %), Schweiz (16 %), USA (14 %) und Schweden (13 %) über eine breitere Basis.(72) Aus dieser Beobachtung läßt sich die Folgerung ziehen, daß in diesen Ländern deutlich mehr Haushalte Zugang zum Internet haben als in der Bundesrepublik. Für den Zugriff auf Online-Dienste verwenden Privatnutzern überwiegend PC und ein dazugehöriges Modem. Beim Vergleich dieser Kennzahlen ist festzustellen, daß die Ausstattung von Privathaushalten mit PC und Modem in den USA (39/21 Prozent) weitaus höher als in der Bundesrepublik (30/4,2 Prozent) liegt.(73)
Abbildung 4: Internet-Hosts je Haushalt (1994)
Quelle: Trend - Charlier/Karepin (1994), S. 62.
Deutschland verfügt gegenwärtig bei Online-Diensten weder über eine vergleichbare Infrastruktur noch eine entsprechend hohe Nutzerzahl wie die Vereinigten Staaten. Der allgemein zu beobachtende Trend des Anstiegs der Nutzerzahlen bei allen Online-Diensten in Deutschland erlaubt hier aber von einem verzögerten Erfolg zu sprechen. In den beiden folgenden Kapiteln, die sich mit den Ursachen dieser Verzögerungen intensiv auseinandersetzen, werden eine Vielzahl weiterer Indikatoren für eine verzögerte Entwicklung aufgezeigt. Dabei kann der Eindruck entstehen, daß die Ausführungen zu USA -lastig sind. Aber die Vereinigten Staaten haben in vielen Bereichen bei der Neu- und Fortentwicklung von Online-Diensten eine führende Rolle inne. Am Beispiel der USA lassen sich Entwicklungstendenzen daher besonders gut aufzeigen, wenn die gegenwärtige Situation in Deutschland analysiert wird. Der Ausblick auf aktuelle Trends soll diese Untersuchung sinnvoll ergänzen.