Es lassen sich viele Gründe feststellen, die für Verzögerungen bei der Verbreitung des Internet und anderer multimedialer Online-Dienste in Deutschland verantwortlich sind. Auf der einen Seite stellen die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen wie die angespannte Finanzlage bei Bund, Ländern und Gemeinden, die geringe Größe des deutschen Marktes sowie die unklare und komplexe Rechtslage Hindernisse dar. Auch die Wirtschafts-, Forschungs- und Telekommunikationspolitik der deutschen Bundesregierung behindert die Verbreitung multimedialer Online-Dienste. Hier sind insbesondere die bestehenden Monopole der Deutschen Telekom AG zu nennen, deren Abbau bis zum 1. Januar 1998 geplant ist.
In Deutschland haben die multimedialen Online-Dienste unter geringen Datenübertragungskapazitäten zu leiden, die Grenzen bei der Übertragung von bildgestütztem Material setzen. Die Telekommunikationsinfrastruktur für die Nutzung von Online-Diensten ist nicht besonders gut ausgebaut. Damit müssen erhebliche Wartezeiten in Kauf genommen werden. Die lange Zeit sehr geringe Zahl an Einwahlknoten hatte für viele Nutzer hohe Telefongebühren zur Folge. Um die Übertragungskosten zu reduzieren, verzichteten die Betreiber auf Benutzerfreundlichkeit und optische Attraktivität. Dadurch wurden aber viele potentielle Nutzer abgeschreckt. Der Aufbau eines Online-Dienstes ist zudem sehr zeit- und kostenintensiv. Unternehmerische Entscheidungen führten zu weiteren Verzögerungen beim Aufbau von Online-Diensten.
Schließlich bestehen bei einem großen Teil der deutschen Bevölkerung geringe Kenntnisse über die Möglichkeiten multimedialer Online-Dienste. Eine ungenügende Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung und das schlechte Image durch Presseberichte führten zu Verunsicherung. Zu den Hindernissen zählen auch die Widerstände von Menschen und Organisationen gegenüber neuen Technologien. Bei der Bevölkerung ist ferner eine mangelnde Bereitschaft festzustellen, viel Geld für Online-Dienste auszugeben.
Viele dieser Ursachen für den verzögerten Erfolg multimedialer Online-Dienste sind mittlerweile von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern erkannt worden. Im Dezember 1995 präsentierte der Technologierat der Bundesregierung seinen Abschlußbericht zur Informationsgesellschaft mit 41 Empfehlungen. Diese nahm die Bundesregierung in ihre Initiative "Info 2000" auf, mit der Deutschland seit Februar 1996 in Richtung einer Informationsgesellschaft gelenkt werden soll. Verschiedene politische Gremien auf Bundes- und Landesebene arbeiten bereits an der Umsetzung einiger dieser Empfehlungen. Dennoch ist der Konflikt zwischen Bund und Ländern um die Zuständigkeit im Bereich der multimedialen Dienstleistungen im März 1996 noch nicht gelöst. Mit einer vollständigen Liberalisierung im Bereich des Telekommunikationsmarktes kann außerdem erst 1998 gerechnet werden.
Das Geschäft mit multimedialen Online-Diensten gewinnt an Dynamik. Der zunehmende Wettbewerb um Kunden sorgt für einschneidende Veränderungen. Die Betreiber versuchen Barrieren bei der Nutzung von Online-Diensten zu beseitigen. Die Oberflächen werden grafisch aufgebessert und um benutzerfreundliche Navigationshilfen ergänzt. Darüber hinaus müssen die Sicherheitstechniken im Bereich von Authentifizierung, Zugangskontrolle und Verschlüsselung verbessert werden. Die Netzinfrastruktur wird bei allen Diensten durch höhere Übertragungskapazitäten, Ausbau der Netzknoten und bundesweite Netzzugänge verbessert. Mit der Einstellung von eWorld und der Verlagerung des Angebots von Europe Online und MSN auf das Internet zeichnet sich ein weiterer Trend bei multimedialen Online-Diensten ab. Das lange Zeit kommerziell nicht nutzbare Internet übernimmt immer mehr die Funktion eines weltweiten "Information Superhighway s", auf den von jedem kommerziellen Online-Dienst zugegriffen werden kann. So wird auch die Kommerzialisierung des Internet weiter vorangetrieben, wobei Netze und Angebote zunehmend wirtschaftlichen Zwecken dienen.
Verzögerungen bei der Verbreitung von Online-Diensten können schwerwiegende Nachteile für den Standort Deutschland haben. Unter Umständen sind bereits Möglichkeiten zur Schaffung von Arbeitsplätzen und die Eröffnung neuer Exportchancen vertan worden. Das Ausmaß ist noch nicht klar zu bestimmen.(221) Deutschland nimmt bei der PC-Marktdurchdringung oder der Einführung neuer Telekommunikationstechniken wie ATM keine weltweit führende Rolle ein. Dennoch existieren positive technische Voraussetzungen für eine zukünftige wirtschaftliche Spitzenposition Deutschlands im Multimediazeitalter. Die boomartige Etablierung einer sehr leistungsfähigen Technik sorgt für einen entscheidenen Wettbewerbsvorteil.(222) Die neu installierten Systeme verfügen über modernste Technik, die ältere Systeme an Leistung, Kapazität und Bedienungsfreundlichkeit übertreffen. Mit einer hochwertigen Ausstattung kann Deutschland durchaus auf hohem Niveau bei der weiteren technischen Entwicklung mithalten. So liegt bspw. die Anzahl deutscher Domains im Internet mittlerweile weltweit nach den USA an zweiter Stelle.(223)
Der Einfluß multimedialer Online-Dienste wie dem Internet und die von ihnen ausgelösten Veränderungen werden viele Lebensbereiche verändern. Auswirkungen werden auch in den Bereichen spürbar sein, die derzeit noch weit von der elektronischen Kommunikation entfernt zu sein scheinen. Die Ausbreitung multimedialer Online-Dienste ist von der Akzeptanz der Bevölkerung abhängig. Es wäre daher sinnvoll, zum Abbau von Ängsten und Widerständen durch eine intensive öffentlichen Diskussion beizutragen. Die Bevölkerung sollte auf die bevorstehenden Änderungen beim Übergang in die Informationsgesellschaft vorbereitet werden. Dies ist nicht nur Aufgabe von Medien und Politik, sondern auch jedes Einzelnen.
Im weltweiten Vergleich der Nutzung multimedialer Online-Dienste befindet sich die Bundesrepublik im oberen Bereich. Dennoch wurde lange Zeit diesem Sektor von Wirtschaft und Gesellschaft zu wenig Beachtung geschenkt. Erst seit 1995 werden verstärkt Anstrengungen unternommen, um den Rückstand gegenüber der Spitzengruppe unter Führung der USA aufzuholen. Dieses Vorhaben bietet Deutschland allerdings auch die Möglichkeit, schneller als andere Staaten ein hohes Nutzungs-Niveau zu erreichen, da auf bereits entwickelte Lösungen, Produkte und Dienste zurückgegriffen werden kann.