Zusammenfassung
Das traditionelle Verständnis vom Regieren und Verwalten
wird durch die Möglichkeiten der modernen IKT vor neue Herausforderungen
gestellt. Die Verwaltungsinformatik, E-Government und E-Governance
erschließen eine ganze Reihe von neuen Ansatzpunkten, wie Staat und
Verwaltung die ihnen übertragenen Aufgaben wahrnehmen können. So
veranlasst E-Government die Verwaltung, über neue Vertriebskonzepte und
Dienstleistungen nachzudenken. Aber durch E-Governance werden gleichzeitig
bestehende Herrschafts-, Regierungs- und Verwaltungsstrukturen in Frage
gestellt. Nicht immer müssen Staat und Verwaltung eine Aufgabe übernehmen
oder weiterhin erbringen, wenn dies Bürger, Unternehmen oder der Dritte
Sektor über vernetzte Strukturen effizienter realisieren können.
Die Entwicklung moderner IKT ist in den vergangenen Jahren
vor allem durch das Internet und die Internettechnologien geprägt worden.
Durch ihre Offenheit, Flexibilität, Benutzerfreundlichkeit und
Leistungsfähigkeit eröffnen sich auch beim Regieren und Verwalten
vielfältige Ansatzpunkte, mit denen sich die bisherige
Verwaltungsorganisation auseinander setzen muss. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass auf Grund der Internet-Effekte neue Kostenstrukturen
bei Produkten und Dienstleistungen gelten, Netzwerkeffekte stärker zur
Geltung kommen, sich neue Preis- und Erlösmodelle durchsetzen und sich die
Rollen von Anbietern und Nachfragern ändern. Die Potentiale können
allerdings erst dann voll ausgeschöpft werden, wenn auch die erforderliche
Informationsinfrastruktur geschaffen und diese für Bürger, Unternehmen und
Verwaltung verfügbar ist.
Der Überblick über Einsatzfelder von modernen IKT im
Bereich von Politik und Demokratie, bei der Gesetzgebung, in Regierung,
Verwaltung und Justizwesen zeigt auf, dass eine Vielzahl an Potentialen für
einen erfolgreichen Einsatz besteht. Pilotprojekte können aber nicht in
allen Anwendungsfeldern auch sofort umgesetzt werden. Die Sammlung der Best
Practices (vollständige Zusammenstellung im Anhang) erschliesst daher
Erfahrungsschätze und Ansätze auf allen Kontinenten und beschränkt sich
nicht nur auf die E-Government-Entwicklung in Deutschland.
Da das Regieren und Verwalten eine originäre staatliche
Aufgabe ist, haben bei der Umsetzung von E-Government staatliche
Aktionsprogramme auch einen hohen Stellenwert. Eingebettet in
Aktionsprogramme zur Informationsgesellschaft werden Programme, Leitlinien
und Visionen zu E-Government entwickelt. Politik und Verwaltung
beschäftigen sich ebenso mit der Umsetzung dieser Überlegungen durch die
Entwicklung und Vorgabe von Zielen sowie Zielmessung und Erfolgskontrolle.
Der Einsatz moderner IKT führt langfristig zu beachtlichen
Veränderungen für Bürger, Wirtschaft, Politik und den öffentlichen
Sektor. Durch eine Reduzierung von Transportzeiten, Liegezeiten, Suchzeiten,
Bearbeitungszeiten und unproduktiven Tätigkeiten können viele Vorgänge
beschleunigt werden. Qualitäts- und Serviceverbesserungen sind über einen
fehlerreduzierten Verwaltungsvollzug, eine erhöhte Kundennähe, ein
erweitertes Leistungsangebot und eine Verbesserung des Arbeitsumfeldes
erreichbar. Flexibilisierung, Rationalisierung, bessere
Führungsinformation, eine Produktivitätssteigerung und ein Mehr an
Selbstorganisation sollten zu Organisationsverbesserungen führen.
Kostensenkungen sind über Einsparungen bei den Kommunikations-, Papier-,
Druck-, Kopier-, Lagerhaltungs-, Versand-, Verteil-, Betriebs- und
Personalkosten realisierbar. Bürger und Verbraucher, Wirtschaft und
Industrie, Politik und Demokratie, Verwaltungen und der öffentliche Sektor
insgesamt müssen sich darauf einstellen und ihre Verhaltensweisen an die
neue Situation anpassen.
E-Government ist allerdings kein Selbstläufer. Für einen
Erfolg müssen verschiedene Barrieren erkannt und überwunden werden. Zu den
Hindernissen von E-Government zählen die gültigen rechtlichen
Rahmenbedingungen, die technologische Entwicklung, die verfügbaren
Informationsbestände, Probleme beim Management, der Organisation und der
Finanzierung, mentale Bedenken, kulturelle Faktoren, zählebige Strukturen,
Prozesse, Strategiedefizite und die Niederungen der Tagespolitik. Diese
Barrieren zu überwinden ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung.
Für eine erfolgsversprechende Umsetzung muss eine
E-Government-Strategie erarbeitet werden, die sich aus Inhalten und den
Rahmenbedingungen zusammensetzt. Zu den Inhalten der Strategie zählen in
erster Linie die Vision, das Umsetzungskonzept, die Ziele sowie ein Konzept
zur Zielmessung und Erfolgskontrolle. Mit Blick auf den aktuellen
Entwicklungsstand müssen Standards gesetzt, Netzwerke und eine
Infrastruktur aufgebaut, bestehende Prozesse und Wertschöpfungsketten
überarbeitet sowie geeignete Anwendungsbereiche für Pilotprojekte
ausgewählt werden. Zu den Rahmenbedingungen zählen eine wirkungsvolle
Führung, qualifiziertes Personal, ein professionelles Veränderungs- und
Projektmanagement, akzeptierte Moderatoren, ein umfassender gesetzlicher
Ordnungsrahmen und die Sicherstellung einer ausreichenden Finanzierung.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass sich die Entwicklung
gegenwärtig noch in den Anfängen eines Regierens und Verwaltens im
Informationszeitalter befindet und durch zugleich vielen Veränderungen
ausgesetzt ist. Neue Online-Lösungen und Web-Services ersetzen oder
ergänzen tradierte Verwaltungsverfahren und bereichern das Angebot. Auf
diesen Entwicklungen können weitere Ansätze aufsetzen. Diese führen
ihrerseits zu neuen Lösungen. Je weiter der öffentliche Sektor auf das
Internet setzt und sich dieser Technologien bedient, desto bewusster wird,
dass der Transformationsprozess sicherlich nicht mit elektronischen
Verwaltungsdienstleistungen abgeschlossen sein wird. Je stärker über
Portale und andere One-Stop-Government-Vorhaben eine Integration der
verschiedenen Ansätze vollzogen ist, desto vermehrt stehen strukturelle
Veränderungen der Prozesse und eine Reorganisation von Staat und Verwaltung
an. Dies kann zu durchaus grundlegenden Veränderungen bei der Wahrnehmung
öffentlicher Aufgaben und bei demokratischen Entscheidungsprozessen
führen. Die Bürger können künftig über Partizipation und Kontrollen
stärker in staatliche Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Viele
Aufgaben lassen sich vielleicht anders weitaus effizienter wahrnehmen, so
dass herkömmliche Verfahrensweisen in Frage zu stellen sind. Dies bedeutet
nicht nur einen Wandel in der Arbeitsweise, sondern auch einen Wandel im
Verständnis, was Regieren und Verwalten künftig sein soll.